Was ich durch meine Reise gelernt habe // Teil 3 Es ist leicht, Freunde zu finden

Berichtete ich von meinem Plan zu reisen, waren viele sehr überrascht. Sie waren beeindruckt davon, dass ich allein gehen wollte, für so eine lange Zeit und das auch noch auf einen fremden Kontinenten. Häufig sprachen sie von einem mutigen Unterfangen, dachten über die vielen Hürden und Gefahren fremder Länder und besonders darüber nach, ob ich nicht einsam werden würde, so ganz allein in einer fremden Welt. Nun, nachdem ich für 85 Tage über 9000 km weit von meiner Heimat entfernt gewesen bin, kann ich sagen, dass Alleinsein tatsächlich eines meiner geringsten Probleme war. Im Gegenteil war ich fast nie allein.

Entscheidet man sich dazu, mit einem Rucksack zu reisen, plant man bereits den Verzicht gewisser Vorzüge ein, welcher einen Urlaub vom Reisen unterscheidet. Weder schläft man vorzugsweise in schicken Hotels, genießt Buffets und Zimmerservice, noch wird die „Comfort-Zone“ ausschließlich um den vertrauten Rahmen diverser Sehenswürdigkeiten und Attraktionen, sowie den Wellness- und Resortbereich der Hotelanlage mit Sauna und Pool erweitert. Entschließt man sich zu einer wirklichen Reise, ist man gefasst auf Hürden, Probleme, verzichtet freiwillig und gerne auf all den luxuriösen Zusatz. Man sucht nach einem Abenteuer, will authentische Erfahrungen und das macht es ganz normal, dass es auch mal nicht wie geplant läuft. Statt eines Doppelbettes im Privatzimmer wird es der Schlafsaal mit 6-10 Betten darin; das 4-Sterne-Restaurant wird gegen lokales Streetfood eingetauscht; aus einem Flug wird die langsamere, aber deutlich erfahrungsreichere 24 Stunden Fahrt in einem Schlafbus. Im Gegensatz zu einem Hotel, in welchem eine tendenziell isolierte Atmosphäre wahrzunehmen ist und die Gäste vorzugsweise unter sich bleiben, trifft man in einem Hostel (zu Deutsch Jugendherberge) auf Gleichgesinnte. Genau wie man selbst reisen sie oft allein, suchen nach neuen Bekanntschaften, sind neugierig auf die Stadt und das Land und freuen sich über jede Möglichkeit, einer gemeinsamen Aktivität beizuwohnen.

Lebt man in einem nordisch angehauchten Land wie Deutschland, in welchem die Atmosphäre und das Zusammenleben der Menschen im Vergleich zu bspw. Südostasien oder Südamerika eher distanziert ist und jeder unter sich bleibt, ist es normal gewisse Ängste oder Bedenken gegenüber einer Solo-Reise zu haben. Viele haben wahrscheinlich schon einmal die Erfahrung gemacht, wie schwer es ist in einer neuen Stadt Freunde und damit den Anschluss zu finden und da kann es nur passieren, dass man diese Befürchtung auch mit auf seine Reise nimmt. Zwar hatte ich viel über Backpacking recherchiert und viele Erfahrungsberichte gelesen, doch ganz sicher war ich mir nicht, ob ich nicht vielleicht doch allein bleiben würde und das auch noch in einer fremden Stadt, einem fremden Land. Glücklicherweise zeigte mir sofort mein erster Tag in Thailand, dass diese Annahmen vollkommen überflüssig waren.

Der erste Tag meiner Reise

Nachdem ich in Bangkok gelandet war und den ersten Schock über den 25 Grad Temperaturunterschied überwunden hatte, nahm ich einen Bus in die Innenstadt, um schnell mein Hostel zu finden. Unglücklicherweise wurde ich beim Aussteigen von einem der dort saisonal üblichen Platzregen überrascht, weshalb ich noch einige Minuten unter Wasserfluten laufen musste, bis ich komplett durchnässt meinen Schlafplatz für die nächsten vier Nächte erreichte. Die Omen standen wenig gut, doch wollte ich mich davon nicht beeinflussen lassen. Eine kurze Dusche, neue Kleider und schon war der Optimismus zurückgekehrt. Ich hatte eine Art in die Wand eingearbeitete Schlafkapsel mit Vorhang, Steckdosenleiste und Licht und konnte so in allmählicher Regeneration vom Flug und der Regenüberraschung mich auf den Gemeinschaftsraum vorbereiten, zu dem ich bei meiner Ankunft eingeladen wurde. So ging ich nach kurzer Überwindung einige Minuten später eine Etage tiefer, begrüßte die Gruppe, welche gerade in ein Scharadespiel vertieft war und setzte mich dazu. Das Spiel, in dem ich wenig brillierend unglückliche Karten zog (Wie erklärt man Tausendfüßler?) endete nach ungefähr 20 Minuten und wir kamen ins Gespräch, sodass sich wie von nichts eine Gruppe bildete, welche aus mir, zwei Franzosen, einer Niederländerin und drei deutschen Mädchen bestand. Nach einigem Überlegen kamen wir zu dem Entschluss Chinatown zu besuchen und dort ein Restaurant oder gutes Streetfood zu finden und so wurde ich gleich in den Transportdienst „Grab“ eingeführt, welcher in Südostasien die beste und günstigste Alternative zum Taxi oder den häufig zu teuren Tuk Tuks ist. Unser Vorhaben gelang und wir fanden ein chinesisches Restaurant, in dem ich einen Tee sowie Reis mit Krabbenfleisch bestellte (kulinarisch betrachtet im Nachhinein nicht die beste Wahl). Später liefen wir etwas durch die Stadt, fuhren zurück zum Hostel und besuchten die berühmt-berüchtigte „Khao San Road“, welche wahrscheinlich einen eigenen Bericht verdient. Schnell zusammengefasst ist es eine Partystraße mit unglaublich lauter (schlechter) Musik, Alkohol in Eimern, dubiosen Straßenverkäufern und vielen Menschen, die meisten davon nur noch eine Silhouette ihrer selbst.

Zwar ging ich relativ schnell wieder zurück, war auch sehr müde durch den langen Flug und den Jetlag, doch hatte ich einen schönen eindrucksreichen ersten Tag und eine Erkenntnis erlangt, welche mich auf meiner gesamten Reise begleitete. Es ist leicht, Freunde zu finden.

Geteilte Momente

Während meiner drei Monate habe ich viele Menschen kennengelernt. Häufig musste ich feststellen, dass wir nicht auf der gleichen Wellenlänge waren, doch das war egal, da es nach zehn Reisenden, mit welchen ich kaum Interessen und Gedanken teilte, immer wieder jemanden gab, mit dem ich gute Gespräche, schöne Momente und wertvolle Erfahrungen teilen konnte. Immer wieder konnte ich dabei feststellen, wie einfach es ist, Bekanntschaften zu machen. Das Einzige, was man dazu wirklich braucht, ist Interesse für eine andere Person, Lust auf ein Gespräch und manchmal ein klein wenig Mut und Überwindung. Oft reichte es schon aus, zu einer Gruppe zu gehen, zu fragen, ob man sich dazusetzen kann und schon hat man Anschluss gefunden, geht zusammen Abendessen oder überlegt, was man morgen gerne machen würde. Insgesamt habe ich so über hundert Menschen aus 29 Ländern kennengelernt und viele Erfahrungen mit ihnen geteilt, welche allein wahrscheinlich nicht so schön gewesen wären. Mit manchen reiste ich zusammen weiter, andere traf ich in einer anderen Stadt, sogar in einem anderen Land erneut, entweder durch Verabredung oder Zufall. Es gab sogar einen Australier, welchen ich durch Zufall in vier verschiedenen Hostels, in Thailand und Laos getroffen habe, ohne auch nur zu erwähnen, in welches Hostel man gehen wird. Als Backpacker wird man schnell Teil einer großen Gruppe an Gleichgesinnten, welche alle gewisse Interessen und Sehnsüchte, zum Beispiel die Neugierde auf neue Kulturen, die Lust an gänzlich neuen Erfahrungen miteinander teilen, sodass es schwer ist nicht wenigstens ein gemeinsames Interesse zu finden.

Reisen heißt Bekanntschaften schließen mit Menschen aus aller Welt und auch wenn sie nur für kurze Zeit sind sie deshalb nicht weniger schön. Egal ob tiefe Freundschaft, eine kurzzeitig aufflammende Liebe/ Anziehung oder eine Art Schüler/Mentor-Beziehung, es ist erstaunlich, wie wenig Zeit wir Menschen doch benötigen, um einander zu mögen. Wie greifbar diese zwischenmenschliche Aura zu sein scheint, als wäre die nahe Zukunft bereits so gut wie beschlossen. All diese „Charaktere“, als welche man sie im surrealen Film des Reisens oft betrachtet, werden zu einem Teil der eigenen Persönlichkeit; sie begleiten uns noch nach der Reise, wie die schläfrig schön-schimmernden Traumerinnerungen nach einem erlebnisreichen Schlaf. Auch wenn diese vielen Bekanntschaften nur für kurze Zeit sind und die Wahrscheinlichkeit eines Wiedersehens vermutlich eher gering sind, werden sie nie vergessen, da sie Teil einer Geschichte sind. Sie inspirieren uns, regen zum Denken an, machen den Tag zu einem Erlebnis, besonders in Retroperspektive.

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