Von der Natur

Während eines gemächlichen Spaziergangs an einem euphorisch in seinen vielen Farben strahlenden Frühlingsnachmittag siehst du eine mit der Nässe vieler Jahre gezeichnete Holzbank am Rand des Wanderpfades stehen. Bereits der Anblick aus der Distanz lässt Geschichten vermuten von den vielen Erlebnissen, die dort geschahen. Während die Sonne ein großes Stück der Bank bestrahlt und eine angenehme Wärme vermuten lässt beschließt du also ein weiteres Kapitel in die Memoiren dieses meditativen Ortes zu schreiben. Es ist Zeit für ein wenig Rast, für Beobachtung, Ruhe und Faszination.

So lässt du dich in einem sich anbahnenden Ausdruck von Erholung auf die Bank fallen. Entspannung signalisierend lässt dich dein Körper wissen, dass du nun etwas Zeit für dich hast, um einfach nur zu sein und der Welt beim sein beizuwohnen. Schau dich um. Ein leichter Schatten fällt auf deine linke Körperhälfte ausgelöst durch einen alten anmutigen Apfelbaum, der sich zwischen dich und die Sonne gestellt hat. So fungiert er als Vermittler von Licht und Schatten. Deine Füße streifen die etwas trocken gewordene Erde unter dir, welche von einigen Blättern geschmückt ist, die sich bereits in den Kreislauf von Verfall und Auferstehen eingefügt haben. Spürst du wie die kleinen Lichtstrahlen wie tanzende Sterne auf deine Haut landen und das Gefühl von Wärme das von ihnen transportiert wird? Hörst du das leise Zirpen der Heimchen, eingenistet in kleine Erdlöcher auf der so farbenprächtig blühenden Wiese? Das sanfte Rascheln der Äste im Frühlingswind? Aromen vom nassen Holz des Apfelbaumes erzählen dir Geschichten der Vergangenheit.

Nimmst du auch wirklich wahr? Erkennst du wie alles um dich herum mit der sprechen möchte? Dich in Gespräche einlädt und dir Liebkosungen zukommen lässt? Ihre Botschaften sind wie Worte, die entziffert werden möchten. Kleine Rätsel von einer eigentlich so bescheidenen Einfachheit, dass es nicht viele Gedanken braucht um sie zu lösen. Es erfordert nur Hingabe und ein wenig Konzentration.

In diesen subtilen Zeilen erzählen sie Geschichten von unbegrenzter Dauer. Immerzu erweiternd, in Bewegung, Einladend. Sie erkennen dich als einen Teil ihrer selbst an und umgarnen dich in ihrer ganz eigenen Art. Wie durch eine gläserne Wand scheinst du wahrzunehmen, dass sie mit dir sprechen möchten, entzifferst jedoch keinen einzigen Ton. Du siehst ihre Bemühungen. Ihre Schönheit zu der sie dich einladen und doch bleiben ihre Worte stumm.

Der Baum an deiner Seite ist nicht nur Wurzel, Stamm und Äste. Er ist ein Begleiter für eine gewisse Zeit deines Lebens. Seine Früchte sind Geschenke. Die Blätter weisen dir vom Wind getragen den Weg. Seine Wurzel symbolisiert Heimat, der Stamm Durchhaltevermögen und die Äste Vielfalt.  

Im Erkennen des Moments liegt die Kunde der Ewigkeit. In ihm erfährst du alles was es zu erfahren gibt.

Das Spiel der Natur lädt dich ein an ihm teilzuhaben und doch lässt es dich vollkommen allein. Zwar reagiert es auf dich und lässt dich wissen, dass es deiner Existenz bewusst ist, passt sich aber nur an. Es ist von rein passiver Natur. Es drängt nicht, fordert nicht, will nicht. Es zeigt dir eine Möglichkeit und beleuchtet den Pfad. Ihn beschreiten musst du jedoch alleine. Mit keinem Worte ermutigt oder verunsichert es dich, wenn du es nicht selbst von ihm verlangst. Seine Botschaft ist von universellem Geiste und vielseitig interpretierbar. Es liegt an dir was du aus ihr machst. Die Wärme der Sonne kann als liebkosende Umarmung betrachtet werden oder als greller Schmerz. Regen ist Wachstum, Frische und Lebenskraft oder jedoch Kälte und Depression.

Erkennst du die komplexe Einfachheit, die allem in deinem Wahrnehmungshorizont beiwohnt? Wie spektakulär minimalistisch alles um dich herum geschieht? Die Bienen bahnen sich angezogen vom süßen Duft des Nektars den Weg zur nächsten im strahlenden Rot aufgehenden Blüte. Das Eichhörnchen hascht mit Leichtigkeit von Ast zu Ast, die Schwerkraft scheinbar vollkommen ignorierend. Die Ameisen erbauen Königreiche im Kleinen, voll architektonischer Pracht und simpler Schönheit. Und all das scheint so leicht, so natürlich, so wenig forciert, sodass es nur paradox beschrieben werden kann und so dein Grübeln über schweren Gedanken dem Staunen der Einfachheit weicht.

Reicht die Beobachtung eines Baumes nicht aus, um das Geheimnis des Lebens aufzusaugen? Vom kleinen Keim im nahrhaften Boden, großgezogen durch Sonne und Regen, prächtig in Aromen und Farben in seiner Blütephase und die Manifestation von Vitalität, der Frucht. Dieses Geschenk, welches nach einer Zeit weitere Nachkommen dem Erdboden vermacht, die aufs Neue zu Größe aufsteigen werden. Bis hin zur späten Alterung, wenn der Stamm ehrwürdig und weise erscheint und Jahrhunderte an Geschichte in seinen Lebensringen trägt, bereits erkennbar durch die bloße Betrachtung seiner Ruhe und Gelassenheit, welche er von der Wurzel bis zum höchsten Wipfel seiner alternden Äste auszustrahlen vermag.

Ist diese Natürlichkeit nicht so viel schöner und beeindruckender als die Künstlichkeit der neuen Welt? Gibt es etwas Vergleichbares zu der Wärme der Sonnenstrahlen auf deinem Gesicht, wenn der Winter sich langsam verabschiedet und der Energie und Fröhlichkeit des Frühlings weicht? Kann es der Klang aus unseren Lautsprechern mit dem lieblichen Zwitschern der Vögel, welche in ihrer schönen Melodie den neuen Tag verkünden aufnehmen? Ist der süßlich-aromatische Geschmack eines Apfels nicht allen Geschmacksverstärkern vorzuziehen? Ist er nicht selbst am Zenit von Genuss und Köstlichkeit angekommen und durch keinen Zusatz mehr zu verbessern?

Natur ist Perfektion. Ist Geschenk und Herausforderung zugleich. Ist ein immerzu vorhandenes Bild, dass darauf wartet von uns betrachtet zu werden. Ungezwungen und doch immer willkommend. Dieses Bild kann uns mit neuem Elan füllen. Kann Hoffnung in schwere Zeiten bringen und Unglück zu Glück transformieren.

Die Herausforderung, die es an uns stellt ist die der Perspektive. Was gewinnen wir aus ihrem Bild das sie zeichnet? Wie nehmen wir es wahr?

Denke daran.

Ein jeder noch so grauer regnerischer Tag lässt den Boden lachen. Gibt den Blumen neue Energie und lässt sie wachsen. So ist der tiefe Fall der Regentropfen der Anfang eines Gesprächs zwischen Himmel und Erde. Während die Tropfen in den Boden sickern, machen sich die Pflanzen von der Nässe genährt auf gen Himmel und Verkünden so Auferstehung aus dem Fall heraus, denn jeder Sturz bringt neue Höhen zum Vorschein, die es zu besteigen gilt.

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