Warum Neugierde so wichtig ist

Der Beginn jedes menschlichen Wesens ist geprägt durch ein nicht auszulöschendes Funkeln in den Augen. Nach 9 Monaten im Mutterleib dürfen wir zum ersten Male die Augen öffnen und betrachten eine so geheimnisvolle wie spannende Welt, die mit ihren vielen Schätzen und Abenteuern darauf wartet von uns entdeckt zu werden und so fällt es schwer aus dem Staunen herauszukommen. Das wundersame warme Gefühl, wenn ein Sonnenstrahl zur Mittagsstunde den Weg zu unserer zart besaiteten Haut findet. Das harmonische Wechselspiel der Farbwelten um uns herum, welche wie fein dirigierte Orchester eine Geschichte erzählen, dessen Facetten erst im Verborgenen offenbart wird mit ihren vielschichtigen Ebenen und Eindrücken, die es zu vermitteln vermag. Das magische Gefühl der Geborgenheit, umschlungen von den liebenden Händen unserer Eltern, welche Sicherheit und Schönheit auf gleicher Weise zu beschreiben verstehen.

All da sind Eindrücke, die so faszinierend wie schön sind, dass sie auf immer wieder entdeckt werden wollen. Es sind Erfahrungen nach denen wir mit fasziniertem Blick immer wieder suchen und uns zu dem machen was wir sind. Es gibt kein natürliches Ende dieses Entdeckungsdranges, der sich immer wieder tief in unserem Herzen bemerkbar macht und darauf wartet wieder und wieder aufs Neue auszubrechen.

Und darum geht es in diesem Beitrag. Über ein Geschenk, welches die Natur uns gegeben hat, um das Neue zum Bekannten zu machen. Eine Gabe, um das Geheimnisvolle vertraut zu machen. Immer wieder aufs neue. Es geht über die Neugierde.

Gliedern möchte ich diesen Text in unterschiedliche Bereiche, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Wie ist Neugierde aus pädagogischer Perspektive zu betrachten und warum ist diese für die Entwicklung des Kindes und des Menschen im Allgemeinen so wichtig? Wie ist das Ganze aus philosophischer Sicht zu sehen? Weshalb ist sie ein essentieller Grundbestandteil eines glücklichen und erfüllten Wesens?

Ebenfalls möchte ich mich damit beschäftigen, wie Neugierde endet und warum so viele Menschen scheinbar die natürliche Lust zum Entdecken verloren haben. Im Vorhinein sei dazu eines gesagt. Dies geschieht nicht auf natürliche Weise. Es ist ein langer Prozess des Zwangs und der Kontrolle. Dazu später mehr.

Wie Kinder die Welt entdecken

Kinder sind Gäste, die nach dem Weg fragen.

Maria Montessori

Wir werden in ein Leben hineingeboren, welches in den ersten Jahren mit einem Schleier des Schattens überzogen ist und sich erst im Laufe der Zeit langsam aufklart und Licht ins Dunkle bringt. Damit wir uns trotz dem vielen Verborgenen orientieren können möchten wir gleich von Beginn an alles entdecken, was sich nur irgendwie in unserer Nähe befindet. Wir erforschen unseren Körper, die Menschen um uns herum und ihr Verhalten, sowie die Umgebung und ihre Mysterien. Dies geschieht auf mehrere Weisen.

Wir beobachten und warten mit gespanntem Blick auf eine Reaktion. Was passiert, wenn sich ein Blatt durch den Wind getragen langsam zur Wasseroberfläche bewegt? Wird es untergehen oder schwimmen? Macht es ein Geräusch? Ist es laut oder leise? Wie ist es bei diesem Stein? In unserem Wahrnehmungshorizont geschieht immer irgendetwas. Dies wird gespannt betrachten, da jede Reaktion eine gewisse Klarheit bringt. Jede Reaktion ist eine Antwort auf eine Frage.

Wir spielen, um zu lernen. Im Spiel entfalten wir den Wunsch der Befreiung aus dem bisher Gekannten. Es ist ein Akt des Entdeckens, dem wir mit großer Aufmerksamkeit und strahlenden Augen folgen.  

Wir probieren selbst aus. Was passiert, wenn ich jetzt anfange zu schreien? Wie werden meine Eltern reagieren? Uns wird gesagt, dass die Herdplatte sehr heiß ist, aber wirklich wissen werden wir es erst nach einer verbrannten Hand. Was passiert, wenn ich eine Kanne voll Wasser über einen Ameisenhaufen kippe oder am Schwanz der Katze ziehe? Kinder sind weder Tyrannen, noch verfolgen sie irgendeine andere Absicht mit ihrem Handeln als die der Neugierde. Sie wollen wissen was geschieht, um eine neue Kachel ihres Weltbildes bemalen zu können.

Das Explorationsverhalten (Erkundungsverhalten) ist bei jedem Tier vorhanden. Dadurch werden Lebensräume erweitert, Unbekanntes wird zu Bekanntem und Unsicherheit zu Sicherheit. Im Vergleich zu anderen Tieren kommt der Mensch jedoch als physiologische Frühgeburt auf die Welt. Das bedeutet, dass er nicht alleine überleben kann und in den ersten Monaten auf die Hilfe und den Schutz anderer angewiesen ist. Er schafft sich Bindungspersonen, an die er sich klammert, um in Sicherheit zu sein. Dieses Defizit gleicht er mit seiner immer stärker werdenden Entdeckerfreude aus, wodurch er sich schon nach wenigen Jahren durch ein großes und variables Repertoire an Fähigkeiten auszeichnen kann.

Weshalb Neugierde so wichtig ist

Das Staunen ist die Einstellung eines Menschen, der die Weisheit wahrhaft liebt, ja es gibt keinen anderen Anfang der Philosophie als diesen.

Platon

Der Mensch lebt im stetigen Wachstum und kann nicht für lange auf derselben Stelle verweilen. Wie in Treibsand ist er darauf angewiesen sich weiterhin in gleichmäßigen Schritten zu bewegen. Macht er dies nicht sinkt er ein.

Schon seit Anbeginn der Zeit war der Mensch in dauerhafter Veränderung und Entwicklung. Er fand das Feuer, filterte Gute von schlechten Beeren als Sammler, machte sich sesshaft und erschuf ganze Zivilisationen. Unser Lebensweg ist voll von Innovation, Erfindung, und Wachstum. Ob gut oder schlecht ist eine Frage für ein anderes Mal. Jedoch ist klar, dass all dies nur mit Neugierde entstehen konnte und sie eine der wichtigsten Triebkräfte des Menschen ist. Sie ist die Grundlage unseres Lebens. Friedrich Nietzsche war der Auffassung, dass Neugier nicht nur notwendig für unser Überleben ist, sondern auch eine essentielle Bedingung des Glücks und der Erfüllung.  Ohne Fragen voll Wissbegierde gibt es keine Philosophie, Wissenschaft und kein Interesse an anderen Menschen oder dem eigenen Leben.

Ein neugieriger Mensch weiß, dass es nicht möglich ist seinen Wissensdurst zu befriedigen. Es wird immer etwas geben das ihn interessiert. Daher strebt er auch keine Erfüllung seiner Neugierde an, sondern nur sich dieser vollständig hinzugeben. Für ihn ist die Neugierde ein Akt der Faszination für die Welt und ihre vielen Möglichkeiten. Es ist eine Reise wie ein Rausch in eine Ebene des Entdeckens, welche ihm bisher verborgen blieb. Egal ob im Beruf, im Sinn oder der Liebe. Er sucht nicht nach dem Vollendeten oder nach dem bereits komplett Aufgeklärten. Er sucht nach der Herausforderung und der Spannung, möge sie ihm zwar fordernd, aber ebenso gutherzig in seinem Leben zur Seite stehen. Es ist also eine Art Glück für ihn, wenn er auf Geheimnisse stößt und im entdecken dieser findet er nicht nur Glück, sondern auch Erfüllung. Im tätigen Leben, dass Herausforderungen für ihn bereithält und mit seinen Wundern den Pfad zur Weisheit beleuchtet.

Doch was ist, wenn er den Drang zum Entdecken verliert und damit einen Zugang zu einem erfüllten und glücklichen Leben? Darum soll es im letzten Abschnitt dieses Beitrages gehen

Wie die Neugierde verloren geht

Neugier ist ein verletzliches Pflänzchen, das nicht nur Anregung, sondern vor allem Freiheit braucht.

Albert Einstein

Wie bereits erwähnt bleibt Neugierde auf natürlichem Wege ein ganzes Leben lang erhalten. Sie ebbt nicht ein, da sie der Schlüssel zur Erfüllung ist. Anders sieht es aus, wenn die Neugierde bereits im Kindesalter „gezähmt“ und die Welt der Wunder, der Freiheit und des Entdeckens gegen Kontrolle und Zwang getauscht wird. Dies geschieht vor allem durch unsere Schule und allgemein durch eine Art der Erziehung die kein „Begleiten“, sondern ein „Fesseln und Ziehen“ ist.

Kinder wollen spielen, entdecken und ausprobieren. Sie finden etwas das sie begeistert und wollen dem nachgehen. Doch schnell schon wird ihnen in der Schule erklärt, dass sie sich an das halten müssen was der Lehrer sagt und nichts anderes zählt. Ihnen wird ab der 1. Klasse (teilweise schon früher) beigebracht, dass nichts zählt das nicht auf dem Lehrplan steht. So wird der Entdeckungsdrang durch verschiedene Mechanismen eingegrenzt.

Überfüllte Schulklassen, Hausaufgaben, fürs Leben irrelevante Bildungsinhalte (siehe binomische Formeln, Stilmittel und Gedichtsanalysen), benotete Leistungen, Theorie über Praxis, Strenge, Belohnungen & Strafen und ein Zwang zu alledem, der sich durch die Schulpflicht zeigt. In meinem Beitrag „Der unsichtbare Lehrplan der Schule bin ich bereits detailliert auf die verschiedenen Maßnahmen eingegangen, die in der Schule angewendet werden um Neugierde und selbstständiges Denken im Keim ersticken zu können.

Kinder benötigen Freiraum, offene Räume, Chancen und Rat (wenn gewünscht), um die natürliche Neugierde aufrecht erhalten zu können und die Freude am Lernen und Entdecken fürs gesamte Leben zu behalten. Nicht ohne Grund ist es Konsens, dass Neugierde in direktem Zusammenhang mit Intelligenz steht. So sagte beispielsweise Einstein „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig“. Jedoch möchte ich verstärkt betonen, dass Neugierde, Wissensdrang und die Lust am Lernen nichts ist, dass man am Intelligenzquotienten oder Ähnlichem messen kann. Es ist etwas, dass in der Kindheit vorhanden ist und leider häufig durch Schule und Erziehung eingedämmt wird. Jeder Mensch war einmal neugierig. Das hat nichts mit Intelligenz zu tun. Jedoch wird den meisten Menschen diese Fähigkeit genommen. Ob gewollt oder ungewollt spielt da keine Rolle. Wichtig ist, dass es passiert.

Neugierde ist wie bereits beschrieben eine Voraussetzung für Glück und Erfüllung. Wieso lassen wir dann zu, dass sie unseren Kindern genommen wird. Warum werden so viele Kinder in ihrer natürlichen Entdeckerfreude gezähmt, um als weitere grauer Ziegel in der Mauer zu enden (Dazu mein Gedicht „Another brick in the Wall“)

Wir sollten zu einer pädagogischen Anschauung zurückkehren, die das Wichtige an der Wurzel sucht und nicht in der Problembehandlung der Fehler des alten Systems. Die Wurzel heißt Neugierde und Leidenschaft. Bleibt dies bestehen kann das Kind als selbstständiger, kritisch denkender, glücklicher und erfüllter Mensch hervorgehen und dies an andere weitergeben. Verliert es diese Eigenschaften endet es in Depression, Sinnkrise, Unzufriedenheit und Kreativitätslosigkeit. Das Resultat daraus ist unsere aktuelle Gesellschaft, in der viele unglücklich mit sich selbst sind. Doch ohne Neugierde bleibt der Schlüssel aus dem Verließ im Verborgenen. Lasst ihn uns also wiederfinden!

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