Captain Fantastic- Aufwachsen in der Wildnis

„Was wir hier erschaffen haben könnte einzigartig in der Geschichte der Menschheit sein. Wir haben das Paradies erschaffen“

Mit diesem Satz beginnt der Trailer zum 2016 erschienenen Film „Captain Fantastic“. Ein Film der uns zeigt, was möglich ist. Der uns wie ein Liebesbrief zeigt, wie wir als Menschen leben könnten. Wie unsere Kinder aufwachsen könnten. Abseits von der westlichen Gesellschaft, distanziert von Propaganda und Manipulation und vereint mit der Natur.

Wir hören Gitarrenklänge in Symbiose mit Vogelzwitschern und sehen die 6 Kinder zusammen mit dem Vater auf einer grünen Wiese meditieren. Sie jagen durch den Wald, spielen im sachten rieselnden Fluss, musizieren ums Lagerfeuer herum und lernen die Schönheit des Lebens auf verschiedenen Ebenen kennen. Sie lesen über die Welt, sprechen über die Welt und sind ein Teil von ihr.

Captain Fantastic zeigt uns auf geniale Weise 2 extreme Lebensweisen und lässt uns diese aus der Sicht einer Familie sehen, die auf dem Weg sind den richtigen Mittelweg zu finden. So beginnt der Film abseits von der Zivilisation in einem Paradies, welches der Vater so bezeichnend mit seiner Frau und Mutter der Kinder aufgebaut hat. Dies ändert sich jedoch als ein schwerer Schicksalsschlag die Familie dazu verleitet ihr kleines Paradies zu verlassen und sich in die Zivilisation zu begeben. Der Vater Ben ist hochintelligent und wollte seine Kinder in einer Weise erziehen, die abseits von Schule und westlichen Doktrinen ist. So wundert es nicht, wenn die Kinder erschreckt sind von ihrem ersten Bild der Gesellschaft, über die sie bisher nur in Büchern und von ihren Eltern erzählt bekommen haben. Das Essen ist ungesund und unnatürlich, viele Menschen übergewichtig und von Süchten umgeben und allgemein scheinen alle etwas unglücklich zu sein.

Was ist Cola?“

„Giftiges Wasser!“

Sie kennen all die Konsumgüter nicht, wissen nicht was Nike oder Adidas ist, kennen keine Softdrinks wie Coca-Cola und können keine berühmten Sportler nennen. Doch dafür sind sie sonst übermäßig gebildet und sowohl theoretisch als auch praktisch sehr begabt. So können sie jagen, in der Wildnis überleben, handwerklich arbeiten und lesen dazu Gelehrte und Intellektuelle wie Noam Chomsky und Klassiker der Literatur wie „Lolita“. Der Film skizziert sehr anschaulich wie Kinder lernen können, wenn sie abseits von Schule und Co erzogen werden, viele interessante Wissensinputs vermittelt bekommen und nie ihre natürliche Neugierde und Entdeckungsfreude durch schulischen Zwang erstickt wurde. Durch den überaus belesenen und gelehrten Vater zeigt der Film so ein Paradebeispiel von „Homeschooling“. Er spricht zu ihnen mit Respekt, sieht sie auf Augenhöhe und lässt seine Erziehung so auf Elementen wie Ehrlichkeit, Liebe, gesunder Disziplin und Förderung aufbauen, weshalb es kein Wunder ist, dass der älteste Sohn trotz fehlender schulischer Ausbildung an allen Elite-Universitäten die Aufnahmeprüfung bestanden hat.

Angekommen in der „echten“ Welt

So werden sie, angekommen in der Zivilisation mit Situationen konfrontiert, die überaus neu für sie sind. Restaurants, Supermärkte, Polizisten, Camping-Plätze. Eine interessante Szene des Filmes entsteht, wenn sie zu Besuch bei Bens Schwester sind. Dort werden die zwei Erziehungsstile zwischen Bens Kinder, und der der Schwester auf fast schon komische Art dargestellt und ein Kontrast zwischen diesen zwei Methoden gezeigt, welcher lange in Erinnerung bleiben wird. Auf einer Seite die „freigelernten“ Kinder Bens, interessiert, im Moment, wenig abgelenkt und äußerst aufmerksam mit den zwei Kindern seiner Schwester, welche abgelenkt durch Smartphones und Konsumgüter, weniger im Moment als in einer Blase zu Leben scheinen. Ebenso beinahe paradox geht der Film mit der Deutung des Begriffes „realitätsfremd“ um oder „lebensfern“.

Ist die Familie um Ben lebensfern, da sie keine Marken, Institutionen, Konzerne oder Popstars kennen?

Oder ist die Familie der Schwester lebensfern, da sie nicht wissen wie man jagt, wie man in der Wildnis überlebt, keine echte Bildung haben und nicht im Einklang mit der Natur zu leben verstehen?

Im Laufe des Filmes wird gezeigt, dass beide Beispiele dieser Bezeichnung gerecht werden, da beiden gewisse Faktoren fehlen, die zum Mensch-sein dazugehören. So wird der älteste Sohn Bens immer wieder damit konfrontiert wie wenig er eigentlich von sozialen Gepflogenheiten und dem Umgang mit Menschen weiß, da er bisher nur innerhalb seiner Familie sozial handeln konnte. So macht er gleich dem ersten Mädchen seines Alters welche er trifft einen Heiratsantrag, weiß nicht wie mit ihr reden und handelt ausschließlich nach den Erkenntnissen von Büchern und nicht aus der Erfahrung heraus.

Allgemein macht sich bei den Kindern ein Wunsch bemerkbar, die Welt und die Gesellschaft zu entdecken. Zwar wurden sie äußerst vielseitig erzogen und haben viel Bildung gelehrt bekommen, wissen jedoch eigentlich nicht viel aus eigener Hand, eigener Erfahrung. Oscar Wilde sagt dazu „Bildung ist etwas Wunderbares. Doch sollte man sich von Zeit zu Zeit daran erinnern, dass wirklich Wissenswertes nicht gelehrt werden kann“

Entwicklung des Filmes

Mit der Zeit sieht Ben ein, dass der Weg, welchen er damals mit seiner Frau eingeschlagen hat zu extrem war. In vielen Aspekten war sein Weg und die Heimat der Kinder in den Wäldern tatsächlich nicht weit vom Paradies entfernt und so durften die Kinder viele wichtige Lektionen für ihr weiteres Leben lernen. Liebevolle Eltern, eine ausgeglichene Bildung, das Leben in und mit der Natur etc. Jedoch war dies ein Weg, der nicht ewig so weitergeführt werden konnte. Zum einen, da es zu sehr isolierend war und der Mensch andere Menschen außerhalb seiner Familie und seines Horizonts benötigt und zum anderen, da die Kinder eigenständige Wesen sind deren individuellen Wünsche höher stehen.

Wie in vielen Kulturen beginnt für die Kinder ab einem gewissen Alter (16-18) der Aufbruch aus der Familie hinaus in die Welt und so endet auch Captain Fantastic mit dem Verbabschieden des ältesten Sohnes, welcher sich auf sein eigenes Abenteuer aufmacht.

Der Magie des Filmes

Always tell the truth. Always take the high road. Live each day like it could be your last. Drink it in. Be adventurous, be bold, but savor it. It goes fast.

Sage immer die Wahrheit. Leben auf der Überholspur. Lebe jeden Tag wie deinen letzten. Sauge ihn auf. Sei abenteuerlich, sei mutig doch genieße es. Es geht schnell vorbei

Was weiterhin im Film geschieht mag hier nicht vorweggenommen werden und erfährt sich am besten selbst mit eigenem Anschauen. Der Film hat einige wirklich wunderschöne Szenen, die als Inspiration für uns alle dienen können. Die schauspielerische Leistung von allen, insbesondere Viggo Mortensen als Ben ist großartig. Ebenfalls sind Dialoge, Musik, Szenerie, Kamera etc. exzellent und geben dem Film eine fast berauschende Atmosphäre. ES ist ein Film der uns zum denken anregen kann und uns womöglich erstrebenswerte Alternativen aufzeigt, die es selbst zu erreichen gilt. Ein Film, der mit einigen der wichtigsten Fragen spielt

  • Wie will ich meine Kinder erziehen?
  • Wie will ich leben?
  • Inwieweit füge ich mich in die Gesellschaft ein?

Ein Film, gemacht für jede rebellische Seele, die sich gerne inspirieren lassen möchte. Voller Gesellschaftskritik, Alternativen zum normalen Lebensweg, Poesie und Leidenschaft. Er provoziert, gibt Denkanstöße, ist aber auch kritisch mit sich selbst und so mit vollem Herzen zu genießen.

Ein Kommentar zu „Captain Fantastic- Aufwachsen in der Wildnis

Gib deinen ab

  1. Eine gelungene Filmrezensionen, die Interesse weckt und zum nachdenken anregt. Es ist natürlich ein Wagnis, mit der gesamten Familie in der Natur zu leben, fern ab von der Zivilisation. Einen ähnlichen Fall gab es Jahr zu Lande im Jahre 1828 (Kaspar Hauser).

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