Wir schreiben das Jahr 1995, in dem der wunderschöne Film spielt, den ich heute gerne beschreiben möchte. Es ist ein Film über die Liebe, das Leben und all die schönen Dinge, die wir in zwischenmenschlichen Beziehungen und ihrer Kommunikation miteinander erfahren dürfen. Ein Film zweier Seelenverwandten. Nicht nur für die Figuren im Film, denn da ist noch so viel mehr. Es sind 2 Seelenverwandte für uns als Zuschauer mit denen wir schnell eine emotionale Bindung aufbauen. Mit ihnen lachen, sich Gedanken machen und vor allem mitfiebern. 2 Figuren, die das Superlativ darstellen, die uns zeigen was sein könnte, was gerne wäre und was vielleicht schon war. Die uns ihre gemeinsame Beziehung schenken, die wie im Traum… oder eben wie im Film zu sein scheint.
Ein zeitloser Film voller Intelligenz, Humor, Liebe und Leidenschaft. Ein Erzeugnis voller künstlerischer Schönheit auf allen Ebenen. Ein toller Soundtrack, malerische Bilder und Szenerien, fantastisch authentische Schauspieler mit echter Chemie und vor Allem, was den Film von einem Guten zu einem Brillanten abhebt. Grandiose Dialoge, die das Herz eines jeden Schreibers, aber auch Hörers zum Glühen bringen.
Die Einleitung
Es ist ein wunderschöner spätsommerlicher Nachmittag in einem vielbefahrenen Zugabteil nach Wien. Die großen rechteckigen Fenster reflektieren die orange-gelblich glühende Sonne, welche die Sitzbänke mit Wärme bestrahlt. Dort lernen wir unsere zwei Hauptfiguren kennen.
Jesse (Ethan Hawke), ein attraktiver junger Mann aus den USA mit braunen kurzen Haaren in seinen mittleren Zwanzigern, welcher seinen noch jungenhaften Charakter und Charme mit einem leichten Kinn- und Oberlippenbart auszugleichen versucht sitzt im Abteil, vertieft in seine Buchlektüre. Dieser Bart strahlt leicht rötlich im Sonnenlicht und ist das Erste was Ihr, Celine (Julie Delphy) mitsamt seinem Lächeln und seinen klaren blauen Augen auffällt und in Erinnerung bleiben wird. Sie, eine schöne Französin und ebenfalls in ihren Zwanzigern hat lange blonde, leichtgelockte Haare, ein die Grübchen besonders betonendes Lächeln und trägt ein langes schwarzes Kleid, dekoriert mit einem grauen schlichten T-Shirt darunter.
Durch ein sich streitendes deutsches Ehepaar Ende der 40er sehen sie von ihrem Buch auf und nehmen sich so zum ersten Mal wahr. Aufgelockert durch das unangenehm, aber durchaus amüsante Streitgespräch der anderen Gäste nehmen sie kurzen Augenkontakt auf und wagen sich so allmählich ins Gespräch vor.

Die anfängliche Unsicherheit ihrer Unterhaltung verschwindet relativ schnell und so lernen wie die typische Art ihrer Dialoge kennen. Unbefangen, leicht neckisch sprechen sie so häufig mit einem sublimen sarkastischen Unterton über Gedanken, Träume und Gefühle. Gleich fällt die besondere Chemie der zwei Figuren auf, die mit solcher Leichtigkeit ein Gespräch führen, wie es viele alteingesessene Freunde nicht hinbekommenhinbekommen würden. Sie reden miteinander, nicht gegeneinander und dies in einer wunderbar sich gegenseitig ergänzenden und bereichernden Weise. Beide hören wirklich zu, anstatt es nur vorzugeben und sind wahrhaftig interessiert an den Worten des Anderen. So stellen sie sich gegenseitig vor, setzen sich gegenüber in ein Abteil und philosophieren über verrückte Ideen, faszinierende Überlegungen und erinnern sich an vergangene Erinnerungen. Alles mit einer Selbstironie, geistiger Klarheit und bildlich erzählerischer Vorstellungskraft.
Nach ihrem länger andauernden Gespräch hält der Zug am Hauptbahnhof in Wien. Da Celines eigentliche Ziel die Heimat in Paris ist und er hier, wartend auf sein Flugzeug zurück in die USA aussteigen muss sollten sich ihre Wege eigentlich trennen. Doch hier beginnt unser Hauptteil der Handlung mit einer wagemutigen, tollkühnen wie inspirierenden Frage Jesses, ob sie nicht vielleicht mit ihm hier aussteigen und gemeinsam Wien erkunden wolle. Überrascht und leicht verwirrt lässt sie sich vom geschickt sprechenden Jesse überreden und steigt also mit ihm aus.
Der Hauptteil
Die Handlung spielt in der wunderschönen Hauptstadt Österreichs, in Wien. Eine romantisch von geschichtlicher Fülle geprägte Stadt, in den 90er Jahren. Noch geschützt von der Gleichschaltung moderner Großstädte und einem überwältigenden Charme, den wir im Laufe des Filmes zur Gänze erfahren dürfen. Kleine Cafés, erinnernd an die Kaffeestübchen ehemaliger Philosophen zur Jahrhundertwende, fein gehauene und verzierte die Hauswände dekorierende Skulpturen. Eine Stadt, die wenn nicht durch die ehrwürdige Architektur durch ihre besonderen Menschen Farbe annimmt, die wir als Zuschauer noch kennenlernen dürfen.
So schlendern sie Hand in Hand in einer für sie unbekannten Stadt durch die malerische Altstadt, staunend über die schönen Fachwerkhäuser und ihre Skulpturen und Wanddekorationen. Bei dem Entschluss mit der charmevollen Tram zu fahren lernen sie sich in einem Frage-Antwort-Spiel näherkennen und intensivieren dies in einem kleinen Plattenladen.
Die Wände beklebt mit den Postern etwaiger Künstler und mit Platten überall verteilt spürt der Zuschauer förmlich, wie sie sich langsam vertrauter werden, was durch die Musik im Hintergrund subtil in Szene gesetzt wird.
Weiter durch die Gegend laufend treffen sie auf einen Ort, welcher eine faszinierende Anziehungskraft aus Melancholie, Mystik und Romantik versprüht, der Friedhof der Namenlosen. Dieser ist gedacht für alle die armen Schicksale, welche aus dem nahegelegenen Fluss angespült wurden und nicht identifiziert wurden. So war Celine dort bereits vor einigen und findet in einem Grabstein eines 13-Jährigen Mädchen eine verlassene Seele, welche bereits vor 10 Jahren einen spürbaren emotionalen Eindruck bei ihr hinterließ, damals noch gleichalt wie sie.

Der ganze Film ist geprägt von einem umgarnenden Gefühl der Vertrautheit und so ist es kein Wunder, dass man noch einigen Minuten selbst eine Beziehung zu den Hauptcharakteren aufbaut. Man erlebt gemeinsam mit ihnen eine Nacht in Wien und hofft ebenso, dass sie doch niemals enden mag.
Um nun nicht zu viel der Handlung vorwegzunehmen möchte ich hier gerne mit der Inhaltsangabe aufhören und präziser darauf eingehen, weshalb der Film an sich und die Beziehung der zwei Protagonisten so ein verzauberndes Gefühl im Zuschauer hinterlässt.
Jesse & Celine

Direkt am Anfang des Filmes wird uns bewusst, dass wir es mit zwei echten Charakteren zu tun haben. Damit meine ich die unbedingte Klarheit ihrer ausgedrückten Gedanken und den Mut des Sich-Selbst-Seins. Denn dem Regisseur und Drehbuchautor Richard Linklater gelingt es wie nicht Vielen den Figuren ein ungemein authentisches Auftreten zu verschaffen. Sie strahlen von innen, stehen zu ihren Gedanken und Meinungen und gehen so offen und fröhlich kommunizierend auf andere Menschen zu.
Jesse ist ein Charakter, dem zu seinem offensichtlich leicht kecken sarkastischen Erscheinungsbild und Wirken eine große Tiefe hinzukommt, welche wir durch seine vielgedachten und äußerst kreativen Gedankengänge erkennen können. So scherzt er einmal über eine Skulptur und deren Entstehungsgeschichte, um im anderen Moment über die Logik der Wiedergeburt zu philosophieren. Er ist ein Träumer, der dazu steht mit einem kindischen Geist. Überaus wach und verspielt, neckend und humorvoll im einen Augenblick und wechselt im anderen Moment zum geistreichen Denker, der sich über die Probleme der Menschheit Gedanken macht. Sein wechselhaftes ineinander aufgehendes Bild verleiht ihm so eine Tiefe, die vom Zuschauer mit großer Sympathie und Interesse aufgenommenaufgenommen wird.
Celine wiederum bildet einen Gegenpol zu seiner verspielt kindlichen Art, der jedoch nie problematisch sein könnte und ihre Beziehung behindern könnte. im Gegenteil. Als selbstbestimmte emanzipierte Frau bietet sie seinem Sarkasmus brillant Paroli und agiert mit ihm so als anderer Pol auf der jedoch gleichen Wellenlänge. Als erwachsenerer Part des Paares schafft sie es somit einen Ausgleich zu schaffen, die Beide in ihren gegenseitigen Polen zum Aufglühen bringen lässt.
Die Dialoge der Beiden sind großartige Beispiele für eine gute Kommunikation miteinander. Kein Part ist respektlos, anmaßend, verurteilend oder ausschließend, sondern voller Interesse, Hingabe und gegenseitiger Zuneigung. Die Zuneigung gilt nicht nur für sie als Beziehungsobjekt, sondern für sie als Menschen.
Wenn wir die Jesse & Celine so sehen wie sie sind fällt es nicht schwer den Begriff der „Seelenverwandtschaft“ zu benutzen. Dort streiten sich die Geister um Existenz oder Nicht-Existenz einer so beinahe magischen Bindung mit einer anderen Person. Auch wenn wir dort ein fiktives Paradebeispiel sehen bietet der Film genug Tiefe, um weit darüber hinaus zu gehen. So zeigt er uns auch Schattenseiten, die ihren Charakter nur umso authentischer und verständlicher machen. Jesse handelt beispielsweise häufig aus der rein logischen Perspektive und zeigt sich Skeptisch gegenüber bestimmten von ihm gebildeten Vorurteilen, während Celine sehr stur zu ihrer Meinung stehen kann und sich Kompromissen verschließt. Jedoch ermöglicht der Film uns eine Perspektive, wie damit im positiven Sinne umgegangen werden kann.
Inspiration und Perspektiven

Before Sunrise ist der erste einer von Richard Linklater (sowie unter anderem Ethan Hawke und Julie Delphy) geschriebenen Trilogie. Zu dem ersten genannten gesellen sich Before Sunset und Before Midnight. Alle 3 Filme bieten eine meisterlich geschriebene toll gespielte Perspektive einer realen Beziehung. Genauer gesagt ist die Beziehung Jesses und Celines am Ende genau das. Tief in unser Herz geschlossen, als Inspiration aufgenommen und beinahe schon real. Vertraut.
Als Cineast und Filmlieber kann ich deshalb nur jedem diese Trilogie ans Herz legen, der clevere Dialoge, schöne Szenerien und gutes Schauspiel zu schätzen weiß. Außerdem jedem Träumer, jedem Menschen mit einer romantischen Ader und jedem, der offen für Inspiration und ein wenig Zauber ist.
Ethan Hawke (Jesse) hat so ein schönes Schlusswort zur „Before-Trilogie“ verfasst.
„Der erste Film ist über das was sein könnte, der Zweite über das was sein sollte und der Dritte über das was ist“
Ethan Hawke über die Before-Trilogie
Abschluss
Zum Abschluss ist hier ein Ausschnitt meiner Lieblingsszene des Filmes.
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