Haben oder Sein

Der Unterschied zwischen Sein und Haben entspricht dem Unterschied zwischen dem Geist einer Gesellschaft, die zum Mittelpunkt Personen hat, und dem Geist einer Gesellschaft, die sich um Dinge dreht.

Wir stellen uns häufig die Frage, wie wir unser Leben gestalten wollen. Häufig stellen wir die Frage, ob unsere Verhaltensweise die Richtige ist. Wie wir leben, was wir denken und tun beschäftigt uns und unser ganzes Leben und ist ein wesentlicher Bestandteil des inneren Empfinden von Glück, da eben diese zwei Arten, die ich in diesem Beitrag skizzieren will, sich so stark voneinander distanzieren und doch häufig nicht in einem klaren Bezug zueinander gestellt werden. Deshalb möchte ich in diesem Text diese zwei Arten in ein klares Licht rücken und ihre Positionen gegenüber aufzeigen. Vor allem das Buch des deutschen Sozialpsychologe, Philosoph und Psychoanalytiker Erich Fromm, von welchem ich den Titel dieses Essays habe. Er war einer der führenden und einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts und stellte Fakten fundierte Thesen auf, die noch heute bei vielen Diskussionen und Köpfen anklang finden und mit Recht immer wieder referiert werden.

Im Bezug auf sein 1976 veröffentlichtes Buch, andere Quellen und meine eigene Meinung möchte ich in diesem Beitrag nun versuchen eine klare Distanz zwischen haben und sein bringen und die Wichtigkeit dieser Unterschiede aufzeigen. Gliedern werde ich es in die zwei Positionen, um die es geht.

Das Haben im Alltag & der Gesellschaft

Ich bin, was ich habe

Schon von Kindesbeinen an lernen wir die Wichtigkeit von Besitz kennen. Wer in der Schule die Kleidung bekannter Marken trägt, wessen Vater das schönste Auto fährt und welche Größe und Preis das lang ersehnte Weihnachtsgeschenk hat sind Fragen die uns als Kind beschäftigen. Der Vergleich mit anderen Kindern wird schon früh zu einem wichtigen Faktor unseres eigenen Wohlbefindens und des sozialen Status, welcher vor allem in der Jugendzeit größte Wichtigkeit für viele hat. Sicher hatte schon jeder einmal den Gedanken, dass beispielsweise das eigene Spielzeugauto viel kleiner ist, als das eines Freundes und deshalb automatisch weniger wert. In unserem so wichtig erscheinenden Bild von materiellen Gütern hat das eigene Besitztum schnell einen erheblichen Wertverlust im Kopf eines Menschen, wenn das vergleichbare Gegenstück des Freundes oder Nachbarn größer, besser, schöner und schlicht und ergreifend teurer ist. Das ist nicht nur bei Kindern der Fall, sondern zieht sich häufig bis ins Erwachsensein mit dem einzigen Unterschied, dass das frühere Spielzeugauto nun zum echten Auto mutiert ist. Erich Fromm beschreibt den modernen Konsumenten als „ewiger Säugling, der nach der Flasche schreit“ und er hat absolut recht mit dieser Aussage. Konsum ist für uns zu einer Sucht geworden und wird von in unserem Gesellschaftssystem bis zum geht nicht mehr unterstützt. Jedes Jahr ein neues Smartphone, 20 Paar Schuhe im Wandschrank, ein stets sich des monatlichen Monatstrends anpassende Garderobe und vieles weitere ist das logische Produkt unsere Anschauung, dass Haben wichtiger als Sein ist.

Wir wollen unseren Freunden imponieren und uns mit dem Wert verkaufen, den wir bei uns selbst von Belang sehen, dem Haben. Wir definieren uns nicht über unser Sein oder unseren Charakter, sondern über unser Kaufen, unseren Besitz.

Ich kaufe also bin ich“

Haben als Sinn des Lebens

Wie viele Menschen gibt es wohl da draußen, die tagtäglich Überstunden im Büro schieben, bis zum Burn-Out arbeiten und im Hinterkopf einzig und allein die Motivation des Geldverdienens verspüren. Geld und der daraus resultierende Besitz ist für viele zur Existenzgrundlage geworden und der Grund weshalb sie morgens motiviert aufwachen und abends erschöpft ins Bett fallen.  Dass Geld am Ende des Lebens von keinem Wert mehr ist, ist viel zu wenigen von ihnen wirklich bewusst und häufig verfällt man wie im Konsum in die Sucht des Geldverdienens. Es wird zum Sinn des Lebens der gleich wie der Konsum auf dem Fundament des Habens aufgebaut ist und weniger mit einer wirklichen Erfüllung zu tun hat, als mit Glückshormonen wie Dopamin, welches im Körper ausgegeben wird, da unser Belohnungssystem mit jedem Kauf und jedem Gewinn aktiviert wird, einfach ausgedrückt als Suchterfüllung. Da das ganze leider nur temporär ist, ist die Folge daraus, dass der stetige Drang nach mehr einen Teufelskreis zur Folge hat, aus dem man nur schlecht und besonders in unserem Gesellschaftssystem des Kapitalismus nur schwer wieder herauskommt.

Das Sein im Alltag & der Gesellschaft

Unsere Konsum- und Marktwirtschaft beruht auf der Idee, daß man Glück kaufen kann, wie man alles kaufen kann. Und wenn man kein Geld bezahlen muß für etwas, dann kann es einen auch nicht glücklich machen. Daß Glück aber etwas ganz anderes ist, was nur aus der eigenen Anstrengung, aus dem Innern kommt und überhaupt kein Geld kostet, daß Glück das „Billigste“ ist, was es auf der Welt gibt, das ist den Menschen noch nicht aufgegangen.

In der westlichen Kultur ist das Sein in den Hintergrund gerückt doch in vielen Kulturen ist das Erlangen vollkommenen Seins essentiell. Beispielsweise ist im Buddhismus das Nirvana nur mit dem vollständigen Erlangen eines tieferen Seins zu erreichen, welches Gefühle, Gedanken und Taten vollkommen ausschließt und sich auf das „Erlöschen“ des Ich-Gedankens bezieht.

Doch abgesehen dieses besonders radikalen Gedanken des Seins ist es auch in unserer westlichen, ach so privilegierten Gesellschaft von Nöten, dass wir uns mehr auf das Beziehen was wir sind und nicht was wir haben.

Mit dem Besitzen von Dingen können wir schlecht unser „ICH“ identifizieren, sondern höchstens einen fiktiven Charakter, der wir vorgeben zu sein. Mit dem Erleben von Erfahrungen, dem Genießen im Moment und der Hingabe zur Sinnlichkeit können wir jedoch so leben wie wir es eigentlich sollten.

Das Leben ist mehr als die Metapher einer Tretmühle, die dem Zweck von Konsum entspricht. Das Leben ist, wie auch schon im Namen steckend fürs Er-leben da. Soziale Kontakte, Erfahrungen, die zu nostalgischem Zurückerinnern führen und dem simplen Wertschätzen der kleinen Dinge sollte unsere Aufmerksamkeit bekommen und kann so ein wenig in Richtung Glück oder Erfüllung führen, nach der wir uns doch eigentlich alle sehnen.

Das Leben im Moment

Ein anschauliches Beispiel ist das Erleben aus der Perspektive eines Hundes. Für ihn ist es nicht wichtig, ob sein Halsband mit dem Namen einer Luxusmarke bestückt ist, ob sein Fleisch, das eines japanischen Kobe-Rindes ist oder ob der Kauknochen aus dem Stoßzahn eines Elefanten gemacht ist. Für ihn gibt es keinen schöneren Moment, als wenn sein Herrchen/ Frauchen nachhause kommt und ihn mit dem Rufen seines Namens begrüßt. Die Natur ist für ihn ein wundersamer Ort voller Leben, Veränderung und Schönheit und das ist alles was er braucht. Natürlich hat er evolutionär bedingt auch einen instinktiven Besitzanspruch, wenn es um das eigene Revier geht, jedoch hat es für nicht die gleiche Bedeutung wie für den Menschen, da Besitz im Vergleich zu unserer Perspektive eine ganz andere Bedeutung hat.

Fazit

Resultierend aus den Erfahrungen, die ich mache, dem Buch von Erich Fromm und vielen anderen Faktoren möchte ich zu dem Schluss kommen, dass das „Haben“ in unserer Gesellschaft im Gegenzug zum „Sein“ einen viel zu hohen Stellenwert genießt und der falsche Leitsatz für ein erfülltes Leben ist, da es auf die eigene Person bezogen ist und nur zu falschem, zeitlich begrenztem Glück führen kann. Zum Abschluss ist hier ein weiteres Zitat von Erich Fromm

„Für jene, die glauben, daß haben eine höchst natürliche Kategorie innerhalb der menschlichen Existenz ist, mag es überraschend sein, wenn sie erfahren, daß es in vielen Sprachen kein Wort für haben gibt.“

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